Das Mädchen im Kofferraum
Dunkelheit umhüllte sie.
Schwer atmend riss sie die Augen auf, doch es gab nicht den kleinsten
Hauch von Licht. Alles um sie herum war vollkommen schwarz. Mit schweren
Gliedern versuchte sie sich aufzurichten, doch sie bald sie den Kopf hob,
knallte dieser gegen einen Widerstand über ihr. Panisch ließ sie sich wieder
sinken und tastete den kleinen Raum in dem sie sich befand ab. Sie konnte sich
kaum bewegen, ohne gegen die Wände zu stoßen, geschweige denn, dass sie ihre
Beine in eine andere Position bekam.
Ein Panikanfall überrannte sie, ihre Atmung wurde schneller und Angst
schweiß trat auf ihre Stirn.
„HILFEEEEE! IST DA JEMAND? HILFEEEEEEE!“
Sie versuchte sich gegen die Verkleidung des Innenraums zudrücken, trommelte mit den Fäusten gegen die Wände und
trat nach allen Seiten, bis sie spürte das ihre Fingerknöchel aufrissen und das
Brennen der abgewetzten Haut sie zum aufhören bewegte. Tränen schossen ihr in
die Augen.
Wimmernd tastete sie neben sich und schnitt sich einen Finger an dem
Papier einer Zeitschrift auf. Nur langsam wurde ihr bewusst, dass jemand sie in
einen Kofferraum gesperrt hatte. Sie steckte den blutenden Finger in den Mund
und versuchte sich zu beruhigen. Wenn sie sich von ihrer Panik überwältigen
ließ, würde sie es nie schaffen aus diesem Gefängnis auszubrechen.
„IST DA JEMAND? KANN MICH JEMAND HÖREN?“
Alles war vollkommen still.
Der Puls hämmerte in ihren Schläfen und ließ sie zittern. Ihre Hände
tasteten weiter in der Dunkelheit und bekamen einen schweren Gegenstand zu
fassen. Das kalte Metall ließ sie kurz zusammen zucken. Vorsichtig versuchte
sie zu erkennen, was sie in den Händen hielt. Sie strich über eine Biegung des
Metalls.
„Eine Brechstange …“, flüsterte sie und ein Funke Hoffnung stieg in
ihr auf. Sie drehte sich auf die Seite und befühlte den Innenraum, nach dem
schmalen Spalt. „Ich werde nicht darauf warten, dass mich derjenige hier
rausholt, dem ich das ganze zu verdanken habe … Ich komme hier raus, ich schaff
das schon …“
Die ersten Versuche scheiterten und ließen sie laut auf fluchen.
Bis plötzlich etwas anderes sie innehalten ließ. Der Motor des Wagens
heulte laut auf und das Rucken bestätigte die Befürchtung, dass der Wagen sich
bewegte. Eine neue Welle Angst ließ sie erstarren. Sie rammte die Spitze des
Krummfußes in den schmalen Spalt und stemmte so gut es ging, ihr Gewicht
darauf, doch immer wieder rutschte sie ab.
Ihre schweißigen Hände machten es ihr noch schwerer die schwere Stange
in die richtige Position zu bringen und dann, spürte sie es. Zu erst dachte
sie, es wären nur einigen Tränen die auf das Metall getropft waren, doch dann
erkannte sie, dass Wasser durch den Spalt des Kofferraums sickerte. Einen
Moment lang weigerte sich ihr Gehirn diese Information zu verarbeiten.
„Nein, nein … bitte nicht …“
Panisch schlug sie mit der Stange auf den Kofferraum ein, doch es half
nichts. Inzwischen war der Boden vollständig mit Wasser bedenkt und ihr wurde
immer bewusster, dass sie ertrinken würde, wenn sie es nicht schaffte endlich
aus diesem Auto heraus zu kommen.
Sie robbte auf die andere Seite und schlug gegen die Verkleidung. Die
Brechstange hatte sie noch immer in der Hand und hackte mit der Spitze gegen
das Matrial. Solange bis sie, eine kleine Öffnung geschaffen hatte, gerade
genug damit ihre Hand durchpasste.
Inzwischen hatte das Wasser ihre Kleidung vollständig durchnässt und
sie zitterte nun nicht mehr nur durch ihre Angst, sondern auch durch die Kälte
die sich durch ihre schmerzenden Glieder zogen. Sie riss an dem Stoff, und
streckte ihren Arm so weit durch bis sie die Rücksitze ertasten konnte.
Hoffnung durchströmte sie, während das Wasser unaufhörlich stieg. Sie riss und zehrte an dem Stoff, ihre Nägel rissen blutig
ein, doch der Schmerz war nebensächlich.
Und dann …
… schaffte sie es. Sie drückte sich durch das Loch und zwängte sich
mit aller Kraft nach vorne. Die Lehne des Rücksitzes gab nach und ihre Augen
schmerzten kurz unter dem Licht der Innenbeleuchtung. Doch der Triumph wich
einer neuen Panikwelle. Um sie herum war nicht als Wasser, dass Auto versank
immer weiter in den Tiefen. Die Eisenstange noch immer in der Hand kletterte
sie auf den Vordersitz und atmete ein paar Mal tief durch. Die Türen ließen
sich wegen dem Druck nicht öffnen. Entweder sie wartete bis das Auto
vollständig mit Wasser gefüllt war oder sie schlug die Scheiben ein.
Weinend machte sie ein paar tiefe Atemzüge und blickte in die dunklen
Tiefen des Wassers. Sie konnte den Grund noch nicht erkennen und wusste nicht, wo
sie war. Einfach Abwarten kam nicht in Frage. Sie fuhr herum und schlug die
Scheibe hinter dem Fahrersitz ein.
Binnen von Sekunden, hatte das Wasser alles eingenommen.
Sie hielt sich mit einer Hand Mund und Nase zu und drückte sich durch
das zersplitterte Fenster. Die Scherben schnitten durch ihre Haut. Sie zog eine
kleine Blutspur hinter sich her. Das Auto versank nun schneller und sie musste
ihre letzte Kraft mobilisieren, um sich nach oben treiben zu lassen. Der Druck
auf ihrem Körper schien immer großer zu werden und ihre Lunge schrie nach Luft.
Salzige Tränen vermischten sich mit dem dunklen Wasser.
Nur noch ein paar Meter, nur noch etwas, dann konnte sie wieder Atmen.
Der Moment als sie die Oberfläche durchbrach fühlte sich an wie eine
Wiedergeburt.
Sie saugte die Luft ein, nochmal und nochmal, bis sie realisierte,
dass sie es geschafft hatte. Mond und Sterne spiegelten sich auf der Oberfläche
des kleinen Sees. Ein Freudenschrei entfuhr ihrer Kehle und sie drehte sich herum.
Niemand schien am Ufer zu stehen.
Sie zwang sich zu schwimmen und steuerte das Ufer an. Ihre Muskeln
beschwerten sich über die Überstrapazierung, doch in ihrem Hirn jubelte jemand
auf. Sie hatte es geschafft. Sie war nicht auf den Grund dieses Sees versunken,
sie war am Leben. Endlich spürte sie schlammigen Boden unter ihren Füßen und
stellte sich hin. Inzwischen spürte sie die Kälte kaum noch. Langsam ging sie
die letzten Meter und versuchte sich nicht von der Erschöpfung übermannen zu
lassen. Mit den Knöcheln noch im Wasser blieb sie stehen und beugte sich nach
vorne.
Sie musste es zur Straße schaffen und ein Auto anhalten …
Schwerfällig richtete sie sich auf und wollte gerade weitergehen, als
ein Schuss die nächtliche Stille durchbrach. Ihr Körper fiel nach hinten. Blut
und Hirnfetzten hinterließen eine schmierige Lache im Wasser.
„Ich hab die Wette gewonnen!“ Ein Mann trat hinter einem Baum hervor
und grinste seinen Gegenüber an. „Ich hab dir gleich gesagt, die Kleine schafft
es aus dem Auto raus!“
Sein Gegenüber schnaubte grimmig und wischte sich über die laufende
Nase.
„Ist ja gut …“, brummte er und drückte ihm einen 20 Dollar Schein in
die Hand. „Jetzt lass sie uns verschwinden lassen, der nächsten geben wir keine
Brechstange …“
In Liebe
Justine
Die Wendung am Schluss ist echt überraschend. Und die ganze Erzählung packend.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Jakob
wow, ich hatte herzklopfen ... dein schreibstil ist einmalig! du könntest thrillerautorin sein. allerdings finde ich es schade dass das mädchen gestorben ist, das war der totale WTF moment. damit hätte ich wirklich nicht gerechnet!
AntwortenLöschenlg
dahi