Eiskaltes
Wasser ließ Marie aufschrecken. Sie zitterte so heftig, dass ihre Zähne
klapperten. In Verbindung mit dem heftigen Dröhnen des Wasserboilers, ergab
dies eine seltsame Melodie.
Marie
stand in der Dusche. Kevin kniete vor ihr und zog ihr gerade die rosa Socken
aus. Mit leicht trüben Blick erkannte sie, dass er bereits alle anderen
Kleidungsstücke ausgezogen hatte, gleich darauf wunderte sie sich, dass sie
sich in der Dusche gefragt hatte, warum sie nackt sei. Kevin erhob sich etwas schwerfällig. Dicke
Ringe zeichneten sich unter seinen Augen ab und auf seinem grauen T-Shirt waren
Blutspritzer.
Nicht sein Blut. Fremdes
Blut.
Zittrig
klammerte sie sich an die gekachelte Wand. Das kalte Wasser half, wieder klarer
denken zu können. Aber es führte ihr auch noch klarer vor Augen was sie getan
hatte.
Jemand ist tot.
Mörderin.
„Marie?“
Sie
antwortete nicht und als er sie abtrocknete spürte sie nichts, außer dem
eisigen Klauen die sich in ihr Gewissen gegraben hatten. Obwohl sie ihn direkt
ansah, konnte sie ihn nicht sehen. Sie sah sich nur immer wiederzusammenbrechen,
als hätte sie alles nur beobachtet. Als wäre gar nicht sie es gewesen, sondern
eine andere Marie. Eine Mörderin, die in ihrem Körper gesteckt hatte.
Ja, so muss es gewesen
sein. Ich bin doch gar nicht in der Lage, so etwas zu tun. Ich kann ja nicht
mal eine Spinne erschlagen, wie könnte ich dann dazu im Stande sein, einen
Menschen zu töten? Jemanden anzusehen und abzudrücken. Einfach so abknallen,
als wäre er nur ein Rindvieh, nichts menschliches, nicht gutes…
„Komm
Baby“ sagte Kevin. „Frank macht sich schon Sorgen. Er wartet auf uns im
Nebenzimmer …“
Er
zog ihr einen neuen Pulli über den Kopf und griff gleich darauf nach einer
Jeans. Sie wehrte sich nicht, es war ihr gleich. Sollte er doch machen, was er
für richtig hielt. In ihrem Kopf rasten die Gedanken durch eine zähe Masse, auf
etwas anderes konnte sie sich gerade nicht konzentrieren. Die letzten Stunden
vergingen in ihrem Kopf wie Sekunden, viel zu schnell um auch wirklich alles
mitzubekommen. Etwas hilfesuchend sah sie ihren Freund an, der damit kämpfte
ihre Jeans zu zuknöpfen.
„Wo
sind wir?“
„Mach
dir darum keine Gedanken, Baby. Wir sind in Sicherheit …“
„Wo?“
„Weit
genug weg … Mach dir keine Sorgen!“
Anschließend
wickelte er sie in eine dicke Decke ein. So verminderte sich ihr Zittern etwas.
Sie
waren in einem muffigen Motel. Die Tapete hatte die Farbe vom altem Kaugummi
und die Möbel sahen uralt aus. Aber nicht die Art von alt, die schon wieder als
antik gilt. Einfach nur alt und billig, als hätte jemand bei der Eröffnung des
ersten Ikea alles leer gekauft und seitdem nicht mehr ersetzt. Marie ließ ihren
Blick einen Moment lang durch das schäbige Zimmer kreisen, ehe er an dem
schwarzen Klotz am Fenster hängen blieb.
Frank
stand ruhig da.
Die
cremefarbenen Vorhänge bildeten einen seltsamen Kontrast zu ihm, fast als
würden sie versuchen ihn einzurahmen, nur das dieses Ergebnis jeden Künstler in
den Ruin getrieben hätte. „Wie geht es ihr?“ fragte er leise, ohne den Blick
von der Straße abzuwenden. Marie wollte den Mund aufmachen, aber ihr Freund kam
ihr zuvor.
„Soweit
ganz gut,“ meinte Kevin. Nervös schob er seine Hände in die Hosentasche. Er
wirkte wie ein zu groß geratenes Kind, in den abgetragenen und viel zu großen Hosen
des älteren Bruders. „Glaube ich. Sie steht noch unter Schock“
Marie
schnaubte.
Schock? Was für ein Schock.
Gerade jetzt fühlte ich mich ziemlich ruhig. Eines muss ich Frank lassen, in
seiner Nähe komme ich immer schnell auf andere Gedanken, auch wenn mich das zum
zweiten Mord in meinem Leben führen könnte.
„Frank,
ich kann alleine reden. Wenn du das nächste Mal etwas von mir wissen willst,
dann sprich mich an und nicht Kevin“, sagte sie ohne wirklichen Zorn in der
Stimme. Die Ruhe hatte sich ganz plötzlich in Schwerfälligkeit verwandelt.
Frank drehte sich zu ihr um. Sein Blick war kalt, so kalt dass sie wusste, wie
schlecht es ihm ging. Er wirkte müde und angespannt und irgendwie, kleiner als
sonst.
„Wie
geht es dir, Sunshine?“
Marie
wich seinem Blick aus und schloss kurz die Augen. „Ich habe jemanden
umgebracht“, meinte sie zögernd und öffnete sie wieder. „Aber von der Tatsache
mal abgesehen, geht es mir gut denke ich, immerhin hab ich keine Kugel im Kopf
oder einen aufgeschlitzten Kuhbauch.“
„Sunshine,
was redest du da?" unterbrach er, ohne dass seine Stimme verriet was er
dachte. Sie schüttelte leicht den Kopf und winkte ab.
„Vergiss
es einfach wieder, das zu erklären würde zu viel Zeit beanspruchen.“
Er
grinste ohne viel Ausdruck und sobald er zu Kevin sah, war das Grinsen
verschwunden. Eigentlich hätte sie Verständnis dafür haben müssen, doch in
diesem Moment machte es sie eher wütend. Alles an dieser Situation machte sie
wütend. Dieser Gestank nach zu Leder gewordenem Staub in der Luft, sie hasste
das Licht welches durch das Fenster schien, die kratzige Decke um ihren Körper,
dass ihr Freund sie behandelte wie ein Kind und dass sie jemanden umgebracht
hatte.
Sind das nicht genug
Gründe um sauer zu werden?
~~~~~~~
Fortsetzung folgt
oh das hört sich toll an und ich will wissen wie es weiter geht :)
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