Mit schweren Gliedern erwachte er aus seinem Trip und
brauchte einige Minuten um zu verstehen, dass es wieder nur ein Traum gewesen
war. Sein Zeitgefühl ließ ihn wieder im Stich, er konnte nicht sagen ob es
schon der nächste Tag oder die nächste Woche war. Das Gras linderte zwar die
Schmerzen und sorgte für halbwegs schöne Träume, doch es schien seinen Verstand
auch immer weiter zu lähmen. Immer wenn er glaubte er hätte einen Moment der
Klarheit tauchten die Schmerzen wieder auf und Hage besorgte ihm Nachschub.
Entweder ich habe das Zaubermittel gefunden um die Zeit hier zu
überstehen oder ich bringe mich endgültig um. So oder so, besser ich habe
Sunshine dabei vor Augen als Hulio.
Blinzelnd stand er auf und
betrachtete er sich im Spiegel. „Verdammt …“, stieß er aus und trat dichter an
den Spiegel heran. Es dauerte etwas bis er verstand das er tatsächlich sich
selbst in die Augen blickte. Anscheinend hatte er seine Körperpflege etwas
vernachlässigt.
Seine Haare hingen ihm über die
Stirn und der Vollbart hatte ein seltsames Eigenleben entwickelt. Vier Monate
ohne sich die Haare zu schneiden zu lassen, oder sich zu rasieren, war
eindeutig zu lang. Der Pony hing ihm in die Augen, als ihm wieder aufging warum
er das Gemeinschaftsbad so lange gemieden hatte. Leicht unsicher schüttelte er
den Kopf. Seine Haare flogen hin und her. Es war seltsam, nahezu beängstigend.
Als er sich umdrehte erschrak er etwas.
„Alter!“ stieß er aus. „Du hast
mich erschreckt!“
Hage lachte leise. „Bist du immer
noch nicht klar im Kopf?“ fragte er neckend. Frank rang sich ein Grinsen ab.
„Klarer als sonst würde ich sagen“, antwortete er und legte sich wieder ins
Bett. Die blauen Flecken, waren zum größten Teil verschwunden, aber einige
Narben würde er noch nach Jahren sehen.
NICHT DRÜBER NACHDENKEN!
Je mehr du darüber nachdenkst umso schlimmer wird es und es wäre schön
wenn du mal wieder für einen längeren Zeitraum klar bleibst.
„Heute ist Sonntag“, brummte Hage
und starrte aus dem vergitterten Fenster. Frank nickte. Er hatte sich daran
gewöhnt niemanden zu sehen und inzwischen machte es ihm nichts mehr aus. Er
fand es sogar ganz schön, Hage zuzuhören, wenn er von seiner Familie redete. Es
war ähnlich wie mit den Büchern, eine andere Welt in die er abtauchen konnte,
wenn er es wollte.
„Kommt Elise heute?“ fragte er.
Elise war Hages Ehefrau. Bisher hatte Frank sie nur auf Fotos gesehen, aber sie
schien ein ähnliches Wesen zu haben wie ihr Mann. Sie war eine mollige Frau
ende Zwanzig, mit dicken schwarzen Locken und großen Augen. Er konnte nur
ahnen, was für große Brüste sie hatte. Ähnlich wie ihr Mann neigte sie zu
Wutausbrüchen und hatte sich nicht immer im Griff. Er konnte sich sehr gut
vorstellen, wie die Beiden als Paar zusammen passten.
„Ja“, sagte Hage nahezu
verträumt. Frank wollte gar nicht wissen was genau er dachte. „Sie bringt die
Kleine mit.“
Die Kleine war seine 6 Jahre alte
Tochter, Giselle, die gerade in die Schule gekommen war, auch sie hatte Frank
bisher nur auf den Fotos gesehen, aber Hage schien mit seinem Leben außerhalb
der Gitter ziemlich glücklich zu sein.
„Grüß die Beiden von mir“,
murmelte Frank leise und unterdrückte die leichte Eifersucht in sich. Hätte er
nur etwas anders gehandelt, dann hätte er vielleicht in diesem Augenblick sein
Kind zugedeckt und danach Sunshine beim Abspülen geholfen. Er konnte sie fast
vor sich sehen, in einer kitschigen Schürzte wie sie die verbrannten Reste des
Essens aus dem Topf schrubbte. Dieser Gedanke erschien ihm wie ein kleiner
Himmel auf Erden.
„Was ist mit dir?“ wollte Hage
wissen. „Kein Besuch heute?“
Er wischte sich über die Nase und
musterte Frank mit forschendem Blick. „Nein“, antwortete Frank knapp „Auch
diesen Sonntag kein Besuch.“
Er hasste es wenn Hage ihn so an sah.
Als ob es eine Überraschung wäre, denn Er hatte die ganze Zeit über noch nicht
einen Besucher gehabt, abgesehen von einem kurzen Höflichkeitsbesuch seines
Anwalts, warum sollte sich das ausgerechnet heute ändern? „Du bekommst keinen
Besuch an deinem Geburtstag?“ stieß der Große verwundert aus. Frank blickte ihn
etwas erschrocken an. „Es ist der 14. November, Junge! Jetzt sag nicht du hast
deinen eigenen Geburtstag verschlafen!“
„Doch“, knurrte Frank leise.
Wie konnte ich nur die Zeit, so sehr verschlafen? Vielleicht sollte ich
meinen Drogenkonsum doch etwas mehr einschränken. November? Tatsächlich, schon?
Das erklärte natürlich, warum es in letzter Zeit so kalt geworden ist.
„Woher wusstest du das?“
Er war wütend das Hage ihn daran
erinnert hatte jetzt war er nur noch deprimierter als vorher. Ein selbstsicheres
Grinsen erschien auf dem Gesicht des Riesen. „Ich hab so meine Quellen“, meinte
er schlicht ohne dass sein Grinsen sich verkleinerte.
„Also Junge es wird dich doch
jemand an deinen Geburtstag besuchen?“
Frank fluchte lauthals. „Nein, es
wird niemand kommen, verstanden?“
Hage runzelte die Stirn. Er war
erstaunt über so einen Ausbruch - normalerweise war Frank nicht so.
Normalerweise sagte Frank entweder nichts oder wenig, und geschrien hatte er
bisher noch nie.
„Schon gut, Junge.“
Er machte ein grimmiges Gesicht
und schob sich wie ein bockiges Kind an Frank vorbei. Frank ließ den Kopf
hängen. „Hage, so war das nicht gemeint“, murmelte er kleinlaut.
Er wusste nicht wie er es sagen
sollte. Hage hatte seine Familie, eine Ehefrau, ein Kind. Er hatte keine Ahnung
wie es war, alleine zu sein. Genauso wenig wie er selbst wusste, was es
bedeutet, eine Familie zu haben. Obwohl er die Chance gehabt hatte, es
rauszufinden.
„Du redest nicht gerne über das
Leben draußen, oder?“
Frank schüttelte den Kopf, ohne
ihm zu antworten. Er versuchte noch immer sich etwas zu beruhigen. Obwohl er
wusste, dass Hage nichts dafür konnte, wollte seine Wut einfach nicht
verrauchen. „Aber irgendwann kommst du hier raus, und dann holt es dich ein. Ob
du willst oder nicht! Dein Schweigen hilft dir dann auch nichts. Irgendwann
holt einen alles ein.“
Sehr gut gelungen. Wortwechsel und Gedanken sind schlüssig und packend. Du ziehst einen über eine gute Seite in deinen Bann, ohne dass man viel neues erfährt, trotzdem bleibt die Lust, weiterzulesen.
AntwortenLöschenLiebe Grüße
Jakob