Die Nacht
ist hell erleuchtet von den vielen Fenstern, hinter denen sich viele Leben
abspielen. Vom Dach des Hochhauses wirken die Plattenbauten wie große
Gefängnisse, die nur dazu dienen, die vielen Sorgen der Menschen auf einen
Punkt zu konzentrieren. Sie legt den Kopf schief und lässt die Beine baumeln,
während sie am Rand des Daches sitzt.
So viele
Menschen, und keiner von ihnen scheint glücklich zu sein. Alle denken nur daran,
den nächsten Tag, die nächste Woche und den nächsten Monat zu überleben. Oder
vielleicht trügt der Schein auch und hinter der schmuddeligen Fassade verbergen
sich jene, die glücklich darüber sind, dass sie sich nichts anderes leisten
können. Glücklich sein ist ohnehin etwas, das sie sich nicht vorstellen kann.
Wann kann
man denn glücklich sein?
Wenn man
alles besitzt was man braucht? Was man will? Was man sich erhofft hat?
Sie hat das Hoffen
satt, das Träumen und den ewigen Kampf, mehr zu erreichen als das hier. Die ständige Mühe, aus der Mindestlohnfalle
heraus zu kommen, lässt sie sich fühlen wie ein Hamster im Rad, der rennt und
rennt und doch nicht aus dem Käfig heraus kommt. Am Ende landet sie doch immer
wieder hier, auf dem Dach des Hauses, in das sie nur für den Übergang
eingezogen ist und es nach all den Jahren noch immer nicht heraus geschafft
hat. Ein Job kam nach dem nächsten,
einer schlecht bezahlt, der nächste der reinste Horror. Gebracht hat es nichts.
Alles ist
wie immer, schlimm und vielleicht sogar schlimmer. Sie ist müde, doch schlafen
kann sie nicht. Der Monat endet und ein neuer beginnt, ohne dass die Miete
gezahlt werden kann, trotz Job, trotz Bemühungen, trotz allem. Das Konto ist
rot, die Augen auch. Das ständige Weinen macht sie alt. Dabei liegt doch alles
noch vor ihr, sagen viele. Sie ist doch noch so jung.
Aber sie
fühlt sich nur noch verloren in diesem Sumpf aus Leben die anders werden
sollten. Jeder Kampf hat eine Narbe hinterlassen, kaum eine Schlacht wurde
gewonnen und zu viele Träume musste sie verwerfen. Das Mädchen, das sie mal war
ist sie schon lange nicht mehr, nur die Hülle blieb übrig und wartet auf die
nächste Schlacht, die hoffentlich die letzte sein wird. Das Warten darauf, dass
es noch schlimmer wird als es ist, macht sie wahnsinnig.
Sie blickt
nach unten auf die Straßenlaternen, deren
Licht so unwirklich scheint. Frei sein – frei von den Gedanken, den überzogenen
Konten, den Jobs, den Menschen und all den Sorgen. Einfach fallen, ein letztes
Mal aufschlagen und in Frieden ruhen.
Sie steht
auf und blickt in die Fenster.
Ein Mann sitzt
auf dem Sofa, das Dosenbier in der Hand. Er schreit herum. Seine Frau steht in
der Küche und weint, während sie ihm ein neues Bier aus dem Kühlschrank holt.
So Stereotypisch, so traurig und so schaurig normal. Unter ihnen ist eine
Wohnung erleuchtet in blau – der Geruch des Kiffs steigt in kleinen Wölkchen
aus dem Fenster. Weiter links sitzt ein Paar beim Essen, doch sie sehen sich
nicht einmal mehr an.
Sie spreizt
die Arme und schließt die Augen. Dunkelheit wünscht sie sich. Einfach
Dunkelheit, um all das nicht mehr sehen zu müssen.
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